Die MS verstehen
Das Verstehen der komplizierten Krankheit benötigt viel Zeit.
Die MS kann auf die persönliche Lebensgestaltung Einfluß nehmen. Die
Erkrankung beeinflußt auch die Familienangehörigen. Diese und die von der
MS Betroffenen selbst können manchmal sehr verunsichert darüber sein, ob
man nun gesund oder krank ist. Einige Symptome sind nicht sichtbar und
können den Mitmenschen deshalb nur schwer vermittelt werden; hieraus kann
Unverständnis auch bei nahen Angehörigen entstehen.
MS-Kranke fragen sich möglicherweise, was sie sich noch zumuten können,
oder haben Angst, sich zu überfordern. Eigene Grenzen müssen neu ausgelotet
werden.
Hilfestellung
Auf dieser Seite versuchen wir ein wenig Hilfestellung zu geben.
Denn das Leben ist einzigartig. Jeder Mensch ist einzigartig.
Und das Leben ist mit und trotz MS immer noch lebenswert!
Bis zur Diagnosestellung einer MS hat fast jeder Patient schon eine längere
Vorgeschichte mit der Krankheit und eine Zeit der Unsicherheit hinter sich.
Symptome wie Taubheitsgefühle in Gliedmaßen, Sehstörungen oder Müdigkeit und
Abgeschlagenheit äußern sich oft schon seit einigen Wochen, Monaten oder
sogar Jahren. Sie werden häufig nicht eindeutig diagnostziert, vom Patienten
verdrängt oder als Einbildung abgetan. Einige empfinden daher im ersten
Moment sogar Erleichterung über die Diagnose, da die quälende Frage:
"Was ist eigentlich mit mir los?" endlich geklärt wurde.
Meist löst die Diagnose verständlicherweise einen Schock aus.
"Das kann nicht wahr sein- ich habe keine MS!" sind oft die ersten Reaktionen
auf das Verlauten der Diagnose.
Ist der erste Schock überwunden, wird die Krankheit meist schrittweise
realisiert. Dabei treten ganz unterschiedliche Gefühle auf. In vielen Fällen
überwiegen jedoch Verzweiflung, Trauer, Angst und Hilflosigkeit gegenüber
der Krankheit. Aber auch Wut und Enttäuschung gehören dazu.
Das Leben erscheint vielen in diesem Moment sinnlos.
Das Leben neu überdenken
Nicht verzweifeln!
Für manche Betroffene ist es ratsam, das Leben mit MS neu zu überdenken. Man
muß aber nicht das ganze Leben umkrempeln.
Man sollte nur versuchen, bewußter und gelassener zu leben.
Was bringt es einem, wenn man sich über Sachen ärgert oder sogar richtig
aufregt,wenn es doch viel leichter mit einem Lächeln zu bewältigen ist.
Das ist erstens nicht so Zeitaufwendig, zweitens macht´s viel mehr Spaß und
drittens, das wichtigste, diesen Angriffspunkt nimmt man der MS.
Das gleiche gilt für Schuld. Man muß sich nicht schuldig fühlen, weil man MS
hat oder weil vielleicht etwas nicht wie gewünscht funktioniert.
Sich schuldig zu fühlen, führt nur dazu, daß man der MS Angriffspunkte für
neue Entzündungsherde gibt.
Und das möchte niemand.
Natürlich fühlen sich auch die Angehörigen anfangs machtlos und wissen nicht,
wie sie sich verhalten sollen.
Auch wenn es schwer fällt, sollte man versuchen, sich gemeinsam mit den
Angehörigen über die Krankheit zu unterhalten und gemeinsam Lösungen für
Probleme zu finden. Das stärkt das Vertrauen und ist ein wichtiger Halt.
Familie und MS
Es wird von den Beeinträchtigungen, die durch die Erkrankung auftreten,
abhängig sein, in welchem Maße die Familie Veränderungen erfährt.
Dennoch wird in jedem Fall die Unsicherheit, die durch die Erkrankung
entsteht, die gesamte Familie betreffen.
Die Ungewissheit über den Verlauf der Erkrankung steht für viele Betroffene
neben der Unsicherheit, ob die Familie ihm/ihr beistehen und helfen wird, mit
der Erkrankung fertig zu werden. Die Angst des Betroffenen, von den
Familienangehörigen abhängig zu werden und auf deren Hilfe angewiesen zu
sein, kann dazu führen, Krankheitssymptome zu überspielen und die eigenen
Kräfte zu überschätzen. Das führt zwangsläufig zu Mißerfolgen und
Mutlosigkeit und vermittelt den Angehörigen das Gefühl, daß ihre
Hilfsangebote abgewiesen werden. Dies kann möglicherweise zum Rückzug und zu
mangelnder Bereitschaft führen, dem erkrankten Familienmitglied zu helfen.
Ein Teufelskreislauf beginnt!
Andererseits besteht die Gefahr, daß die Familienangehörigen dem Betroffenen
zu viel abnehmen, obwohl dieser gar nicht der Hilfe bedarf und sich somit
in eine unnötig große Abhängig begibt.
Es ist deshalb äußerst wichtig, daß der/die Erkrankte und die
Familienmitglieder sich über Art und Ausmaß der Hilfe offen aussprechen.
Dabei muß geklärt werden, in welchem Maße Angehörige helfen können und
wieviel Hilfestellung der Patient benötigt und annehmen kann. Es gibt die
Möglichkeit, daß neben den Familienangehörigen andere Menschen zu Hilfe
geholt werden können, um eine Überforderung der Familie zu vermeiden.
Wichtig ist, daß sowohl der Erkrankte als auch alle anderen
Familienmitglieder ihr eigenes Leben, einschließlich Freizeit und Hobby,
gestalten können.
Wichtig für die Familie und den MS-Betroffenen ist zu lernen, daß der
Patient während seiner Erkrankung verschiedene Rollen innehat. So kann der
Betroffene von "äußerlich völlig gesund und nicht beeinträchtigt" bis zu
"akut erkrankt" oder gar "chronisch erkrankt" mit mehr oder weniger
schwerwiegenden Einbußen ganz unterschiedliche und im Verlauf wechselnde
Rollen einnehmen.
In dem Bericht "Multiple Sklerose - häufig gestellte Fragen", der sich
ebenfalls auf unserer Homepage befindet, haben wir darauf hingewiesen, daß
ein ausgewogenes Maß an Ruhepausen und Leistung wichtig ist. Ebenso sollte
für ausreichend Schlaf gesorgt und Übermüdung vermieden werden.
Das kann zum Beispiel für die Familie heißen, gemeinsame Aktivitäten in die
Morgenstunden zu verlegen und lange Abende zu vermeiden. Bei Unternehmungen
sollten kleinere Ruhepausen eingeplant werden. Die gemeinsamen Arbeiten
sollten so eingeteilt werden, daß der MS-Patient nicht überfordert wird.
Wenn hierbei professionelle Hilfe notwendig sein sollte, so können einerseits
Familienberatungsstellen in Anspruch genommen werden, andererseits können
auch Familientherapien (die ganze Familie sucht gemeinsam einen Therapeuten
auf) zur Anwendung kommen.
Familientherapien werden zum Teil in Erziehungsberatungsstellen, aber auch
bei niedergelassenen Nervenärzten durchgeführt. Weitere Adressen von
Familientherapeuten sind über die psychiatrischen Universitätsambulanzen zu
erfahren. Unter Umständen kann auch eine Einzelberatung oder Einzeltherapie
für den Partner/die Partnerin in Frage kommen.
Auch Gruppen für Angehörige und themenzentrierte Gruppen für
Familienangehörige werden angeboten. Oftmals ist es sehr wichtig, Angehörige
zu entlasten. Denn oft haben sie ein hohes Schuldgefühl und erlauben sich
nicht, mal allein etwas zu unternehmen - z.B. allein in den Urlaub zu fahren
oder ihren Hobbies nachzugehen.
Gespräche führen
Das bisher Gesagte setzt voraus, daß Gespräche über die Erkrankung
stattfinden können. Nur wenn sehr kleine Kinder in der Familie sind, wird
dies nicht immer möglich sein. Kinder spüren jedoch, daß irgendetwas nicht
mehr in Ordnung ist, schämen sich unter Umständen dafür und begreifen nicht,
daß der Vater oder die Mutter nicht mehr mit ihnen in dem Maß spielen
können, wie sie es bisher gewohnt waren.
Sie sehen, daß der Vater / die Mutter zum Beispiel nicht mehr richtig gehen
kann. Kinder bekommen dann sehr schnell Angst, sie fürchten unter Umständen,
daß der Vater / die Mutter sterben wird, daß sie allein gelassen werden, ja,
gelegentlich fühlen sich die Kinder für die Erkrankung sogar verantwortlich
und schuldig.
Daher ist es notwendig, die Kinder über die Erkrankung aufzuklären, die
Ausführlickeit der Aufklärung ist vom Alter und von der Reife des Kindes
abhängig.
Sicherlich besteht die Gefahr, daß eine Erkrankung wie die MS zu
Schwierigkeiten in der Familie führen kann, welche die Familie zerbrechen
lassen. Andererseits wird eine Familie, die bisher liebevoll und vertraut
miteinander umgegangen ist, auch die Chance, das Schicksal der MS-Erkrankung
gemeinsam zu tragen, nutzen können und noch fester und intensiver
zusammenwachsen.
Der Austausch mit anderen MS-Betroffenen ist für viele eine große
Hilfestellung. Bei unseren Treffen, in anderen Selbsthilfegruppen und Foren
findet man Trost und Verständnis für die eigene Situation. Es wird sich
gegenseitig Mut gemacht, man kann Ratschläge erhalten und natürlich
weitergeben. Die Betroffenen profitieren von den Erfahrungen der Anderen.
Zu wissen: "Ich bin nicht allein" ist ein beruhigendes Gefühl.
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